Emissionen im Griff: Die Schlüsselrolle von CO2 – Bilanzen für Unternehmen
CO2 – Bilanzen – oder auch Carbon Footprints – sind ein entscheidendes Werkzeug für Unternehmen, die ihre Umweltverantwortung aktiv übernehmen und langfristige Klimaziele, wie zum Beispiel ein SBTi-Commitment erfüllen wollen. Ob zur Erfüllung gesetzlicher Anforderungen oder als Teil einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie, die präzise Erfassung und Analyse von Treibhausgasemissionen bietet wertvolle Einblicke und strategische Ansatzpunkte.
Dieser Artikel erläutert die Unterschiede zwischen Corporate und Product Carbon Footprints (CCF und PCF) und zeigt, wie Unternehmen ihre Emissionen systematisch erfassen und Klimastrategien effektiv gestalten können.
Was sind CO2 – Bilanzen?
Kohlenstoffbilanzierungen, auch bekannt als CO₂-Bilanzierungen oder Carbon Footprints, sind systematische Methoden zur Erfassung, Berechnung, Bewertung und Überwachung der Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen), die innerhalb eines Prozesses entstanden sind.
Diese Emissionen werden in CO₂-Äquivalenten (CO₂e) angegeben, um auch solche Treibhausgase wie z.B. Methan abzudecken, die nicht direkt als CO₂ gemessen werden können. Da verschiedene Treibhausgase unterschiedlich stark zum Klimawandel beitragen, ermöglicht die Angabe in CO₂-Äquivalenten eine vergleichbare und einheitliche Darstellung ihrer Schädlichkeit. Im GHG-Protocol werden auf Basis des Kyoto Protokolls die GHG-Emissionen auf sieben Treibhausgase beschränkt, darunter Kohlenstoffdioxid (CO₂), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N₂O), und weitere umweltschädliche Gase.
Außerdem helfen CO2 – Bilanzen Regierungen nationale Klimastrategien zu entwickeln und bilden eine Basis für neue Gesetze. Dabei sind sie auch ein essenzielles Instrument, um die Einhaltung internationaler Abkommen zu erfüllen. Besonders das Pariser Abkommen ist für EU-Länder entscheidend, da dieses klare Emissionsreduktionsziele vorgibt, die nur erfüllt werden können, wenn die einzelnen Länder Kenntnis über ihre jährlich verursachten THG-Emissionen haben.
Wofür wird eine CO2 – Bilanz genutzt?
Anlass für Unternehmen, eine CO2 – Bilanz durchzuführen, ist die Bestimmung der verursachten THG-Emissionen, welche eine Identifizierung von Schlüsselbereichen mit besonders hohem Einsparpotential ermöglicht.
CO2 – Bilanzen unterstützen Unternehmen dabei, neue Umweltziele zu setzen, Klimastrategien zu entwickeln und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Sie schaffen zudem einen Wettbewerbsvorteil in dynamischen Märkten und können gesetzliche sowie internationale Vorgaben erfüllen. Unter gewissen Umständen sind CO₂-Bilanzierungen bereits heute schon verpflichtend. Die aktuelle Entwicklung innerhalb der EU zeigt klar einen Trend hin zu detaillierterem Reporting und präziseren Kohlenstoffbilanzierungen. Dies ist entscheidend, da Nachweispflichten gegenüber gesetzlichen Anforderungen sowie Stake- und Shareholdern steigen. Eine grobe Schätzung der Emissionen ist längst nicht mehr ausreichend; präzise, quantitative Methoden zur Berechnung sind heute unerlässlich.
Um diese Einsparpotenziale bewerten und ausnutzen zu können, muss verstanden werden, welche Unternehmenstätigkeiten wie stark zu den ausgestoßenen Emissionen beitragen. Hierfür kann die Unterscheidung nach Scope 1,2, und 3 des GHG-Protokolls angewendet werden. Des Weiteren helfen CO2 – Bilanzen bei der Erfüllung nichtfinanzieller Offenlegungspflichten eines Unternehmens, da sie einen validen Richtwert vorgeben, mit welchem präzise Emissionsreduktionsziele definiert werden können.
Was sind Scope 1, 2 und 3?
Die Unterteilung der THG-Emissionen in drei verschiedene Kategorien basiert auf dem Greenhouse Gas Protocol (im Folgenden: GHG-Protocol). Hier ein kurzer Überblick zu den drei verschiedenen Kategorien:
Scope 1: Direkte Emissionen
Scope 1 umfasst alle direkten Emissionen, die ein Unternehmen verursacht. Hierzu zählen alle „in-house“ entstehenden Energieverbräuche, beispielsweise der Verbrauch von Erdgas für die Heizung der Produktionsstätten. Diese Emissionen lassen sich in der Regel schnell identifizieren und genau berechnen, besonders wenn im Unternehmen bereits ein Energiemanagementsystem etabliert ist. Der Einfluss des Unternehmens ist hier besonders groß.
Scope 2: Indirekte Emissionen (Energie)
Scope 2 umfasst alle indirekten Emissionen die durch den Bezug von Energie – also Strom, Dampf, Wärme und Kälte durch Dritte entstehen. Diese Emissionen werden nicht direkt im Unternehmen selbst verursacht, wodurch der Einflussbereich geringer ist.
Scope 3: indirekte Emissionen (upstream und downstream)
Scope 3 umfasst alle Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette außerhalb des direkten Einflussbereichs des Unternehmens entstehen. Hierzu zählen sowohl solche Emissionen, die vor der Ankunft der Rohstoffe im Unternehmen (upstream) verursacht werden, wie auch solche, die nach dem Verlassen der finalen Produkte bei deren Nutzung oder Entsorgung entstehen (downstream).
Beispiele hierfür sind Emissionen aus der Logistik durch Zulieferer oder aus der Produktentsorgung. Insbesondere die vorgelagerten Emissionen in der Supply Chain (upstream) machen in der Regel den größten Anteil der gesamten Unternehmensemissionen aus, oftmals mehr als 70%. Die präzise Erfassung und Quantifizierung dieser Emissionen ist daher von zentraler Bedeutung für die Erreichung unternehmerischer Nachhaltigkeitsziele. Allerdings gestaltet sich die Berechnung von Scope 3 Emissionen als herausfordernd, da sie häufig die Erhebung detaillierter Daten von externen Partnern, wie etwa Lieferanten, erfordert.
Genauere Informationen gibt es in unserem Insights Artikel über das GHG-Protocol.
Was ist der Unterschied zwischen einer CO2 – Bilanz auf Unternehmens- oder Produktebene?
Product Carbon Footprint (PCF)
Bei der Berechnung des Carbon Footprints auf Produktebene werden alle Emissionen, welche direkt oder indirekt mit der Produktion des Produktes in Verbindung stehen, ermittelt. Dabei wird der gesamte Lebenszyklus eines Produktes betrachtet und jede Aktivität entlang der Wertschöpfungskette identifiziert.
Die Quantifizierung des PCFs macht Emissionen oftmals greifbarer und eignet sich hervorragend für die Kommunikation an Kunden. Mehr Informationen finden Sie in unserem Insights Artikel zur PCF-Berechnung.
Corporate Carbon Footprint (PCF)
Bei der Berechnung des Carbon Footprints auf Unternehmensebene werden alle Emissionen in Betracht gezogen, die direkt oder indirekt mit dem Unternehmen in Verbindung stehen. Dazu zählen z.B. die Anfahrtsemissionen der Mitarbeitenden in das Büro oder die Emissionen, welche durch die Logistik von eingekaufter Ware entstehen sowie die Emissionen der eingekauften Waren selbst. Dabei werden diese Emissionen nicht auf ein einzelnes Produkt heruntergebrochen, sondern über alle internen und externen Prozesse aufsummiert.
Idealerweise wird der CCF, genau wie der PCF, über alle drei Scopes (1-3) berechnet. Jedoch ist für viele Unternehmen die Berechnung der Scope 3 Emissionen nicht verpflichtend. Ob eine Verpflichtung zum Reporting besteht, kann in der CSRD (= Corporate Sustainability Reporting Directive) Richtlinie nachgelesen werden. Ein freiwilliger Einbezug steht jedem Unternehmen frei und wird empfohlen, da die Scope 3 Emissionen normalerweise den Großteil des CCFs ausmachen.
Wie muss bei einer CO2 – Bilanzierung vorgegangen werden?
1. Grundlegende Rahmensetzung
Zuerst muss grundlegend geklärt werden, ob eine Kohlenstoffbilanzierung für das gesamte Unternehmen (= Corporate Carbon Footprint) oder für ein einzelnes Produkt/ mehrere Produkte (= Product Carbon Footprint) durchgeführt wird. Je nach Wahl, werden in den späteren Schritten unterschiedliche Daten erfasst: entweder für das gesamte Unternehmen oder spezifisch für einzelne/mehrere Produkte. Darüber hinaus müssen die organisatorischen Grenzen definiert werden, welche Unternehmensbereiche und Standorte in die Bilanzierung einbezogen werden. Ebenso ist der Zeitraum für die Datenerhebung festzulegen.
2. Zielsetzung
In nächsten Schritt gilt es zu prüfen, ob spezifische Anforderungen oder Offenlegungspflichten bei der Wahl der Methode berücksichtigt werden müssen. Falls solche Vorgaben existieren, die festlegen, welche Emissionen in die Berechnung einfließen sollen, muss dies miteinbezogen werden. Dabei sollten insbesondere die vom Unternehmen gesetzten Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele, sowie die langfristige Strategie des Unternehmens in die Analyse berücksichtigt werden.
3. Systemgrenzen: PCF und CCF
Im Falle einer PCF-Berechnung ist es entscheidend, festzulegen, welcher Abschnitt (sogenannte Systemgrenzen) des Produktlebenszyklus betrachtet werden soll (z.B. Cradle-to-Gate). Ausnahme bildet eine Cradle-to-Cradle-Analyse, da diese die Berechnung aller Emissionen über den gesamten Lebenszyklus des Produkts umfasst. Bei allen anderen Analysen werden Teilabschnitte des Lebenszyklus betrachtet. In manchen Fällen kann die Art der Analyse bereits durch Offenlegungspflichten vorgegeben sein. Die Bestimmung der Systemgrenzen ist ein relevanter Schritt, da sie den Rahmen der Berechnung eindeutig definiert.
Bei der CCF-Berechnung muss, ähnlich wie bei der PCF-Berechnung, festgelegt werden, welche Scopes berücksichtigt werden. Der Einbezug von Scope 1 und 2 ist dabei verpflichtend. Ob Scope 3 einbezogen wird, hängt von den nichtfinanziellen Offenlegungspflichten des jeweiligen Unternehmens ab. In einigen Fällen kann es auch vorkommen, dass nur bestimmte Teilbereiche von Scope 3 berücksichtigt werden. Im Gegensatz zur PCF-Berechnung, bei der die Unterscheidung in Systemgrenzen wie etwa Gate-to-Cradle angewendet wird, ist eine solche Unterscheidung bei der CCF-Berechnung nicht erforderlich.
4. Methodenwahl
Es gibt verschiedene Methoden, um eine CO2 – Bilanz aufzustellen (z.B. Activity-based Methode). Je nach Methodenwahl, entstehen unterschiedliche Kosten und Nutzen, die abgewogen werden müssen. Außerdem variiert der Erhebungsaufwand (Kosten, Know-how und Zeit) zwischen den Methoden stark.
5. Datenerfassung
Je nach gewählter Methode müssen nun die entsprechenden Daten gesammelt werden. Sollten Primärdaten vorliegen, so sollten diese zuerst einmal auf ihre Datenqualität hin validiert werden. Falls diese den Anforderungen standhalten, können sie verwendet werden.
6. Berechnung der Emissionen
Die Emissionsberechnung wird maßgeblich durch die Methodenwahl bestimmt. Dabei werden die ermittelten Emissionen den entsprechenden Emissionsfaktoren zugeordnet. Die Ergebnisse werden in CO₂e angegeben und den jeweiligen Scopes zugewiesen.
7. Erstellung der Bilanz
Die einzelnen Emissionen aus den verschiedenen Scopes werden nun zusammengefasst, um die Gesamt-Kohlenstoffbilanz zu erstellen.
8. Prüfung und Validierung der Bilanz
Unternehmen, die gesetzlichen Verpflichtungen unterliegen, müssen ihre CO2 – Bilanz durch eine unabhängige Drittpartei überprüfen lassen, um die Richtigkeit und Übereinstimmung mit den geltenden Standards sicherzustellen.
9. Maßnahmenentwicklung und kontinuierliche Optimierung
Nachdem die Emissionsquellen eindeutig identifiziert wurden, können gezielte Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgase entwickelt und umgesetzt werden. Die CO2 – Bilanz sollte regelmäßig aktualisiert werden, um Fortschritte zu messen und neue Ziele zu setzen.
Die Erstellung einer CO2 – Bilanz erfordert Präzision, Fachwissen und häufig den Einsatz spezialisierter Software. Es handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess, welcher viele relevante Daten liefert und das Engagement des Unternehmens für fortlaufendes Monitoring und die Verbesserung seiner Umweltleistung verdeutlicht.
Telusio Einschätzung
Mit einer soliden Kohlenstoffbilanzierung können Unternehmen nicht nur ihre Emissionen verringern, sondern auch nachhaltige Maßnahmen entwickeln, die langfristig Kosten sparen und die Außenwahrnehmung des Unternehmens verbessern.
CO2 – Bilanzen sollten als strategisches Instrument begriffen werden, welches nicht nur zur Erfüllung regulatorischer Vorgaben dient, sondern auch erhebliche Wettbewerbsvorteile schafft und die nachhaltige Ausrichtung des Unternehmens systematisch vorantreibt.