Die Quantifizierung von Treibhausgasemissionen wird nicht nur für Unternehmen immer wichtiger, sondern spielt auch eine zentrale Rolle bei der Erstellung eines Product Carbon Footprints (PCF).
Bei der Quantifizierung der Emissionen lassen sich grundsätzlich zwei Herangehensweisen unterscheiden: Spend-based und activity-based. Doch welche Methode eignet sich am besten für die Berechnung?
Diese Übersicht beleuchtet die beiden gängigsten Methoden und zeigt, wie Unternehmen eine präzise und praxisnahe Emissionsbewertung ihrer Produkte vornehmen können, um fundierte richtungsweisende Entscheidungen zu treffen.
Was ist eine Kohlenstoffbilanzierung?
Eine Kohlenstoffbilanzierung, auch bekannt als CO₂-Bilanzierung oder Carbon Footprint, ist die systematische Methode zur Erfassung, Berechnung, Bewertung und Überwachung der Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen), die innerhalb eines Prozesses entstanden sind.
CO₂-Bilanzierungen lassen sich sowohl auf gesamte Unternehmen (CCF) als auch auf einzelne Aktivitäten oder Produkte (PCF) anwenden und bieten eine Momentaufnahme der entstehenden Emissionen eines Prozesses, die üblicherweise jährlich aktualisiert wird.
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Was sind Primärdaten und welche Rolle spielen sie bei PCFs?
Primärdaten als Erhebungsmethode: Vorteile und Herausforderungen
Primärdaten stellen streng genommen keine Berechnungsmethode dar, sondern eine Erhebungsmethode.
Sie erfassen die tatsächlich gemessenen Werte von Aktivitäten und Prozessen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Da sie die realen Emissionen präzise abbilden können – vorausgesetzt, die Messung erfolgt korrekt – sollten sie stets bevorzugt werden. Allerdings ist ihre Erhebung äußerst anspruchsvoll und zeitaufwendig. Der Aufwand für eine reine Erhebung von Primärdaten sollte keinesfalls unterschätzt werden, da sie umfangreiches Fachwissen, erhebliche personelle Ressourcen und beträchtliche finanzielle Mittel erfordert. Je nach Prozess sind spezialisierte Tools erforderlich, um die Messungen durchzuführen. Zudem müssen die Daten regelmäßig, teilweise sogar täglich, erfasst werden, um aussagekräftige Jahresdurchschnittswerte zu erhalten. In komplexeren Prozessen ist der Einsatz von speziellen Analysetools oft unverzichtbar, um die Datenverarbeitung überhaupt erst zu ermöglichen.
Die Berechnung des Product Carbon Footprints auf Basis von Primärdaten stellt zwar das theoretische Ideal dar, ist in der Praxis jedoch kaum vollständig umsetzbar. Besonders bei Scope 3 Emissionen sind Unternehmen auf die Datenbereitstellung von Drittparteien angewiesen. Da die meisten Lieferanten entweder keine oder nur unvollständige Primärdaten bereitstellen können, ist eine ausschließliche Berechnung auf Primärdatenbasis in der Regel nicht realisierbar.
Praktische Alternativen: Activity-based und Spend-based Methoden
Deshalb gibt es die activity-based und spend-based Quantifizierungsmethoden, die es ermöglichen, eine PCF-Berechnung auch bei fehlenden oder unvollständigen Primärdaten durchzuführen. Diese Methoden bieten eine praktikable Lösung für die in der Praxis oft nicht umsetzbare vollständige Primärdatenerhebung. Beide Ansätze helfen Unternehmen eine fundierte und belastbare CO₂-Bilanz ihrer Produkte zu erstellen.
Welche Methoden bei der Quantifizierung der CO2e Emissionen eines Produktes gibt es?
Die bekanntesten Methoden für die CO2-Bilanzierung sind die spend-based und die activity-based Methode. Daneben gibt es noch viele Hybridmodelle, welche die Ansätze der verschiedenen Methoden kombinieren.
1. Spend-based Methode
Der sogenannte ausgabenbasierte Emissionsfaktor ist ein repräsentativer Wert, welcher die Menge einer Emission, die emittiert wird, mit einer bestimmten monetären Ausgabe in Beziehung setzt. Folglich ist es möglich, die Menge an Emissionen zu berechnen, die pro finanzielle Einheit einer bestimmten Aktivität entstehen. Hierbei wird angenommen, dass finanzielle bzw. buchhalterische Handlungen einen indirekten Zusammenhang zu emissionsbezogenen physischen Aktivitäten haben und somit als Grundlage zur Emissionsberechnung dienen können. Ein Beispiel für einen indirekten Emissionsfluss ist die Bezahlung einer Energierechnung, da die Emissionen durch die Energieerzeugung verursacht werden und nicht direkt durch das Unternehmen selbst.
Die spend-based Methode berechnet die Emissionen eines monetären Betrags wie folgt:
Beispiel: Einkauf einer Tonne Betonstahl für 650€
Bei der spend-based Methode wäre der entscheidende Faktor der Kaufpreis von 650 € für eine Tonne Betonstahl, während bei der activity-based Methode die Menge von einer Tonne Betonstahl als maßgebliche Größe für die Emissionsberechnung herangezogen wird. Hier lässt sich der Unterschied eines ausgabenbasierten und eines tätigkeitsbezogenen Emissionsfaktors deutlich zeigen: bei spend-based werden rein monetäre Flüsse betrachtet, während activity-based den Fluss von Aktivitäten (Gütern, Dienstleistungen, etc.) beleuchtet.
2. Activity-based Methode
Beim sogenannten tätigkeitsbezogenen Emissionsfaktor werden die THG-Emissionen auf Grundlage der jeweiligen Aktivitäten oder Prozesse berechnet. Da dieser Ansatz äußert detailliert ist, muss der Großteil der Aktivitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette erfasst werden. Aktivitäten sind zum Beispiel die einzelnen eingekauften Rohstoffe oder der verbrauchte Strom in der Produktion. Die Rohdaten werden anschließend mithilfe von passenden Emissionsfaktoren multipliziert. Da diese Methode basierend auf den tatsächlichen Aktivitäten genaue Emissionswerte liefert, sollte diese Berechnung gewählt werden, wenn die THG-Emissionen möglichst realitätsgetreu erfasst werden sollen.
Die activity-based Methode berechnet die Emissionen einer Aktivität wie folgt:
Emissionsquantifizierung: Spend-based vs activity-based
Die spend-based und activity-based Methoden zur Quantifizierung von Treibhausgasemissionen bieten unterschiedliche Ansätze, die jeweils Vor- und Nachteile mit sich bringen, insbesondere im Hinblick auf Kosten, Zeitaufwand, erforderliches Know-how, strategischen Nutzen, Anwendbarkeit der Ergebnisse und Präzision:
(1): Die activity-based Methode ermöglicht eine detaillierte Erfassung der Emissionsdaten, die sich vielseitig nutzen lassen. Sobald eine Aktivität einem Emissionsfaktor zugeordnet ist, spart dies in späteren Schritten erheblich Zeit und Aufwand. So können die gleichen Daten problemlos für die Erstellung eines Corporate Carbon Footprint (CCF) verwendet und bei Bedarf einfach auf einen Product Carbon Footprint (PCF) oder andere Standards übertragen werden. Dies steht im Gegensatz zur spend-based Methode, deren Anwendbarkeit wesentlich eingeschränkter ist.
Spend-based Methode: Schnelle und kostengünstige Einschätzung von Emissionen
Dieser Ansatz erfordert geringes Know-how, da die Methode auf leicht zugänglichen Finanzdaten basiert und keine tiefere technische Analyse der Prozesse verlangt. In Unternehmen, die erstmals ihre Emissionen erfassen, kann die spend-based Methode daher als praktischer Einstieg dienen und ermöglicht eine schnelle Übersicht über die ungefähren CO₂-Emissionen.
Die spend-based Methode ermöglicht eine schnelle und kostengünstige Einschätzung von Emissionen, indem sie finanzielle Ausgaben als Grundlage verwendet und mit Emissionsfaktoren für bestimmte Ausgabenkategorien (z. B. Transport oder Energie) multipliziert.
Grenzen der Spend-based Methode und die Notwendigkeit einer präziseren Alternative
Die Methode hat allerdings klare Grenzen in der Präzision: Da sie lediglich auf den Ausgaben des Unternehmens basiert und nicht auf individuelle Aktivitätsdaten (wie Details zu den Materialien, Prozessen etc.) zugreift, kann sie keine genaue Aussage über spezifische Emissionsquellen treffen. Schwankungen bei den Kosten durch Inflation oder andere Marktveränderungen wirken sich direkt auf die Berechnung aus und können die Ergebnisse verfälschen. Eine Preisinflation würde dementsprechend einen automatischen Anstieg der verursachten Emissionen bedeuten.
Die spend-based Methode bietet eine grundlegende Orientierung, ist jedoch weder für die Entwicklung langfristiger Reduktionsstrategien noch für die Erfüllung präziser gesetzlicher Vorgaben ausreichend. Ihre begrenzte Anwendbarkeit, etwa im Rahmen von CSRD oder bei der Erreichung von SBTi-Zielen, macht sie auf Dauer wenig empfehlenswert. Angesichts der kontinuierlich verschärften nichtfinanziellen Offenlegungspflichten sollte sie langfristig durch die präzisere activity-based Methode ersetzt werden. Eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse ist in diesem Kontext unverzichtbar, da die Abhängigkeit von der spend-based Methode unter Umständen unwirtschaftlich sein könnte.
Activity-based Methode: Präzise Emissionsberechnung und zielgerichtete Reduktionsmaßnahmen
Die activity-based Methode hingegen bietet die notwendige Genauigkeit für eine verlässliche und zukunftsorientierte Emissionsberechnung. Sie basiert auf der direkten Erfassung emissionsrelevanter Aktivitäten im Unternehmen, wie dem Energieverbrauch einzelner Maschinen, den Transportkilometern oder den Mengen bestimmter Rohstoffe. Da konkrete Prozessdaten verwendet werden, lassen sich die Emissionsquellen genau lokalisieren und analysieren. Dies ermöglicht gezielte und wirksame Reduktionsmaßnahmen, die strategisch wertvoll sind, da sie den CO₂-Fußabdruck sowohl auf Unternehmens- aber auch auf Produktebene an den richtigen Stellen reduzieren und dem Unternehmen somit helfen, strategischen Verpflichtungen wie beispielsweise den SBTs nachzukommen.
Die activity-based Methode kann zudem flexibel und mehrfach angewendet werden: Einmal ermittelte Aktivitätsdaten lassen sich in zahlreichen Kontexten nutzen, etwa für die Emissionsoptimierung einzelner Abteilungen oder für die Berichterstattung gegenüber Stakeholdern. Auch für Unternehmen, die langfristig eine detaillierte CO₂-Bilanzierung etablieren möchten und gesetzlichen Anforderungen gerecht werden müssen, ist dieser Ansatz unverzichtbar. Ein weiterer Vorteil der activity-based Methode ist ihre Unabhängigkeit von Preisentwicklungen: Inflationsschwankungen oder marktbedingte Preisänderungen haben hier keinen Einfluss, da die Berechnung auf physischen Aktivitäten basiert.
Langfristige Effizienz und strategische Relevanz der Activity-based Methode
Zwar erfordert die Einführung der activity-based Methode anfangs einen höheren Aufwand, doch sinkt der Ressourcenbedarf für nachfolgende Berechnungen erheblich. Dank der steilen Lernkurve können Unternehmen mit zunehmender Routine die activity-based Methode effizienter anwenden und den Ressourcenaufwand langfristig minimieren. Sie bietet eine zukunftssichere Grundlage, die auch bei steigenden regulatorischen Anforderungen eine verlässliche und umfassende Dokumentation gewährleistet. In einem Marktumfeld, das zunehmend auf Transparenz und detaillierte Sustainability-Berichten Wert legt, wird die activity-based Methode daher für Unternehmen zur langfristig verlässlicheren Wahl.
Fazit: Die Wahl der geeigneten Methode zur Emissionsquantifizierung
Zusammenfassend lässt sich sagen: Während die spend-based Methode eine einfache und schnelle Übersicht bietet, erfordert die activity-based Methode zwar mehr Ressourcen, liefert aber die notwendige Präzision und Verlässlichkeit, um die Emissionsbilanzierung nachhaltig zu gestalten und den steigenden gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.
Die Wahl der richtigen Methode zur Quantifizierung von Treibhausgasemissionen ist maßgeblich von den individuellen Zielen und Anforderungen des Unternehmens abhängig. Die spend-based Methode kann als erster grober Ansatz dienen, um eine grundlegende Orientierung zu erhalten. Langfristig ist sie jedoch weder ausreichend noch resilient gegenüber externen Faktoren wie Finanzschwankungen.
Im Gegensatz dazu bietet die activity-based Methode entscheidende Vorteile: Sie ermöglicht eine detaillierte Erfassung einzelner Aktivitäten und Prozesse und deckt präzise Emissionsquellen auf, die in anderen Ansätzen oft ungenau bleiben oder übersehen werden. Damit liefert die activity-based Methode die Grundlage für zielgerichtete, effektive Maßnahmen zur Emissionsreduktion und langfristigen Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette.
Telusio Einschätzung
Primärdaten stellen den „Goldstandard“ unter den Emissionsberechnungen dar, jedoch ist ihre korrekte Erfassung und Messung nur der erste Schritt, ebenso entscheidend ist die fehlerfreie Weitergabe an externe Parteien. Dieser Prozess birgt erhebliche Fehlerquellen und stellt Unternehmen vor große technische Herausforderungen, die zunächst bewältigt werden müssen. Bis ihre Erfassung jedoch zum Standard wird oder zumindest häufiger erfolgt, sollte die activity-based Methode als verlässliche Basis dienen. Unternehmen können zunächst mit der activity-based Methode starten und diese schrittweise durch Primärdaten ergänzen, sobald diese verfügbar sind. Für Unternehmen, die Nachhaltigkeit strategisch angehen und exakte Daten für ein aktives Emissionsmanagement benötigen, ist der Mehraufwand der activity-based Methode eine lohnende Investition in eine glaubwürdige und zukunftsorientierte Nachhaltigkeitsstrategie.